Kurzfassung: Mit Blick auf die möglicherweise durch den Bau von WEA gefährdeten Brutvogelarten regelt § 45b Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), welche Arten wie zu erfassen und zu beurteilen sind. Anerkannte Maßnahmen zu ihrem Schutz werden in Anlage 1 zum Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) aufgeführt. Darüber hinaus gibt die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg spezifische Hinweise für den Südwesten.
a) Welche Arten sind besonders windenergiesensibel und was ist notwendig, damit der Artenschutz nicht unter die (Wind)Räder kommt?
Konflikte mit dem Artenschutz müssen so weit wie möglich vermieden werden. Wo sie dennoch auftreten, müssen sie durch Vermeidungs- und Kompensationsmaßnahmen gelöst werden. Ziel der planmäßig bis September 2025 in Baden-Württemberg laufenden Regionalplanung ist es, landesweite Vorranggebiete für die Windenergie festzulegen. Dabei können Konflikte mit dem Artenschutz bereits durch eine geschickte Flächenauswahl vermieden werden. In diesen Vorranggebieten, die bundesweit bis Ende 2032 ausgewiesen sein müssen, sind anschließend in der Regel keine detaillierten naturschutzfachlichen Untersuchungen mehr notwendig. Um dieses Manko auszugleichen, fordern BUND und NABU, dass verbindliche und strikte Artenhilfsprogramme umgesetzt werden, die nachweislich zur Förderung und zum Erhalt windenergiesensibler Arten beitragen.
Natürlich stellt dennoch jedes Windrad einen Eingriff in den Naturhaushalt dar, da windenergiesensible Vogel- und Fledermausarten durch Windenergieanlagen zu Schaden kommen können und durch die Anlagen in Lebensräume eingegriffen wird.
Das Dialogforum Energiewende und Naturschutz der baden-württembergischen Landesverbände von NABU und BUND hat die folgenden Lösungsstrategien zusammengefasst:
- Das A und O ist die Standortwahl. Hier gilt es, möglichst konfliktarme Standorte zu suchen. Das bedeutet, dass etwa zu Brut- und Nahrungsflächen Mindestabstände einzuhalten sind. Wie groß diese Abstände sein müssen, unterscheidet sich von Art zu Art. Konkrete Mindestabstände gibt das Bundesnaturschutzgesetz vor.
- Insbesondere für Fledermäuse können automatische Abschaltzeiten festgelegt werden. In Zeiten mit hoher Flugaktivität müssen die Rotoren stillstehen – laut Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg gilt das beispielsweise bei über zehn Grad Lufttemperatur und Windgeschwindigkeiten unter sechs Metern pro Sekunde. Mit Hilfe eines Gondelmonitorings[1] können Fachleute die Aktivität der Fledermäuse ermitteln und die Abschaltzeiten standortspezifisch so festlegen, dass größtmöglicher Artenschutz bei weitestgehend geringem Ertragsausfall möglich ist.
- Durch ein gutes Mahd- und Flächenmanagement im weiteren Umkreis können viele geschützte Arten auf ungefährliche Flächen gelockt werden, so dass das Tötungsrisiko an den Windenergieanlagen sinkt.
- Eine Möglichkeit, dem Beschädigungsverbot gerecht zu werden, ist die Schaffung alternativer Fortpflanzungs- und Ruhestätten. Wichtig beim Ausgleich von Flächenverlusten ist, dass die Funktion der Flächen im räumlichen Zusammenhang erhalten bleibt. Sollten Ausgleichsmaßnahmen notwendig werden, so müssen diese vor Beginn des Eingriffs wirksam sein, damit die Funktion durchgängig erhalten bleibt.
- Streng geschützte Arten und alle europäischen Brutvogelarten dürfen während sensibler Phasen wie Balz, Brut oder Winterschlaf nicht gestört werden. Dementsprechend sind Bau und teilweise auch Betrieb der Anlagen in dieser Zeit auszusetzen. Wie bei allen anderen größeren Bauprojekten ist eine ökologische Baubegleitung notwendig.
- Die Populationen windenergiesensibler Fledermaus- und Vogelarten müssen durch Artenhilfsprogramme an anderen Orten gezielt massiv gefördert werden, damit der Verlust einzelner Tiere an den Anlagen populationsökologisch nicht ins Gewicht fällt.
- Techniken zur Schadensvermeidung wie Detektionssysteme für heranfliegende Vögel und Abschalt-Algorithmen für Fledermäuse gilt es weiterzuentwickeln und konsequent anzuwenden.
b) Führen Windenergieanlagen zu einer Störung von Wildkatze und Co.?
Kurzfassung: Vor allem während des Baus kann es zur Störung von Säugetieren kommen. Studien zu dem Thema konnten bis jetzt jedoch keinen signifikanten Einfluss von Bauarbeiten und Betrieb von Windenergieanlagen auf die Bestandsentwicklung der untersuchten Tierarten feststellen.
Die Störungen durch Rodung und Bauarbeiten können sich auf Wildkatzen auswirken. Dadurch kann es zu einer kurzfristigen Verlagerung in andere Revierteile oder zu einer Verschiebung des Reviers kommen. Hingegen gibt es bis heute keine plausible Herleitung einer möglichen Beeinträchtigung oder Störung in der Betriebsphase, denn Geräusche halten Wildkatzen und andere terrestrische Säugetiere wie Rotwild, Rehwild und Schwarzwild nicht von der Besiedlung eines Lebensraums ab. Das belegen Daten telemetrierter Wildkatzen, die ein Revier beidseitig von Straßen besiedelten. Ebenso stellt sich bei Rotwild eine Gewöhnung ein. Als sogenannter Kulturflüchter reagiert das Rotwild entsprechend auf Störungen, ist die Störung monoton und es geht keine weitere Beunruhigung davon aus, arrangiert sich das Rotwild mit einer entsprechenden Anlaufzeit. Ähnliches Verhalten ist auch bei Rotwildpopulationen zu sehen, die sich in der Nähe von Straßen und Autobahnen zu ganz gewöhnlichen Äsungszeiten auch tagsüber aufhalten.
Eine Untersuchung mittels Fotofallen der Uni Göttingen stellt ebenfalls keine Änderung der Populationsdichte von Wildkatze und Co. in einem Windparkgebiet fest.[2]
Weiterführende Informationen
Port, Markus (2023). Einfluss von Windenergieanlagen auf die Abundanz der Wildkarte und anderer terrestrische Säugetiere im Kaufunger Wald, Nordhessen. Göttingen
Kegel, Jan (Landesjagdverband Hessen e.V.). Welche Auswirkungen auf die Rotwildpopulation wurden beobachtet? Welche Forschungsergebnisse liegen vor?
Menzel, Claudia (2001). Raumnutzung ausgewählter heimischer Niederwildarten im Bereich von Windkraftanlagen
c) Haben Windräder eine Mitschuld am Insektensterben?
Kurzfassung: Der alarmierende Rückgang der Insekten ist vermutlich auf eine ganze Reihe von Ursachen zurückzuführen. Zu den wichtigsten gehören die intensive Landwirtschaft, Pestizideinsatz, eintönige Landschaften, Flächenfraß und der Klimawandel. Die Windenergie gehört nicht zu den Treibern des Insektensterbens, an Windenergieanlagen sterben aber dennoch Insekten.
Erste Studien mit Lichtfallen oder Infrarotkameras stützen die These, dass die Windenergie nicht Treiber des Insektensterbens ist.
1. Untersuchungen von Robert Tusch vom Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe (2021)[3]:
Auf einer Windenergieanlage bei Karlsruhe wurden während der Vegetationsperiode im Jahr 2018 Untersuchungen mit Lichtfallen durchgeführt, um die Anlockwirkung dieser Anlagen auf nachtaktive Insekten zu untersuchen. Bei insgesamt neun Beprobungen zeigte sich, dass die Menge der auf der Windenergieanlage in ca. 100 m Höhe nachgewiesenen Insekten ausgesprochen gering war. Eine Ausnahme bildete eine windstille Untersuchungsnacht im Juni, in der 267 Exemplar auf Gondelhöhe nachgewiesen wurden. In der Referenzfalle am Boden war die Menge der gezählten Tiere im jahreszeitlichen Verlauf nahezu normal verteilt.
2. Untersuchung am Windenergietestfeld NatForWINSENT auf der Schwäbischen Alb (2023)[4]:
Mittels Insektenfotofallen wurde die Insektendichte auf Bodenhöhe und auch auf Gondelhöhe gemessen. Mit zunehmender Höhe und zunehmender Windgeschwindigkeit nahm die Nachweisdichte von Insekten ab. Die meisten Insektennachweise wurden bei Temperaturen oberhalb von 10 °C und bei Windgeschwindigkeiten bis 5 m/s erbracht.
Beide Studien kommen zu dem deckenden Ergebnis, dass die Anzahl der Insekten auf Gondelhöhe sehr gering ist und demzufolge die Windenergie kein treibender Faktor des Insektensterbens darstellt.
Auch interessant:
Das DLR modelliert in einer Studie aus dem Jahr 2018, dass jährlich ca. 1.200 Tonnen Insekten im Sommer durch die 31.000 deutschen Windenergieanlagen umkommen. Diese Zahl hört sich zunächst recht hoch an. Es lohnt sich aber, diese Zahl ins Verhältnis zu setzen: An Straßen sterben täglich viele Millionen Insekten, so fallen jeden Tag allein bis zu 80 Schmetterlinge (ohne Berücksichtigung anderer Insekten) pro Kilometer Straße dem Verkehr zum Opfer, und das jeden Tag.[5] Bekannt ist außerdem z.B., was unsere Vögel an Insekten verzehren, so kommen Nyffeler und Co.[6] in ihrer Studie zu dem Schluss, dass Vögel in europäischen Wäldern pro Tag im Schnitt rund 40 kg Insekten pro Hektar verputzen.
Rechnet man das auf die gesamte Waldfläche Deutschlands hoch, verzehren nur Vögel alleinein den Wäldern Deutschlands pro Jahr mehr als 450.000 Tonnen Insekten. Demgegenüber nehmen sich 1.200 Tonnen Verluste an Windenergieanlagen eher marginal aus.
[1] akustische Aktivitätserfassung der Fledermäuse um standortbezogen Abschaltzeiten zu ermitteln
[2] Port, Markus (2023). Einfluss von Windenergieanlagen auf die Abundanz der Wildkarte und anderer terrestrische Säugetiere im Kaufunger Wald, Nordhessen. Göttingen
[3] Trusch et al. (2021). Anlockwirkung von Windenergieanlagen auf nachtaktive Insekten. [Karlsruhe] : Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe, https://www.smnk.de/fileadmin/page_content/pressemitteilungen/Carolinea_78_2020_Anlockwirkung_von_WEA.PDF
[4] Musiol et al. (2023). Umsetzung der Naturschutzuntersuchung am Windenergietestfeld- NatForWINSENT. https://www.natur-und-erneuerbare.de/fileadmin/Daten/Download_Dokumente/01_Skripte/BfN-Schriften-649-Naturschutz-Windtestfeld-2023.pdf
[5] Baxter-Gilbert, J. H., Riley, J. L., Neufeld, C. et al. (2015): Road mortality potentially responsible for billions of pollinating insect deaths annually. – Journal of Insect Conservation 19(5): 1029–1035. Hier zitiert nach: Hoiß, B. (2020): Roadkill von Insekten. – ANLiegen Natur 42(1): 99–102, Laufen; www.anl.bayern.de/publikationen.
[6] Nyffeler et al. (2018), Insectivorous birds consume an estimated 400–500 million tons of prey annually. Sci Nat 105, 47 (2018).